Partnerporträt
Christina „Tiny“ Bernhard, BA
Founderin von dea•ex
Wenn eine KI beginnen würde, von sich aus Kunst zu erschaffen – ohne Auftrag, ohne Vorgabe – würdest du sie dann als Kollegin betrachten?
Ich würde mich zuerst fragen, wo das Interface ist, über das die KI ihre Kunst ausgibt – also wo und wie ich das Ergebnis sehen könnte. Passiert das zum Beispiel über einen 3D-Drucker?
Als Arbeitskollegin würde ich die KI nur dann sehen, wenn wir wirklich gemeinsam an einem Projekt arbeiten und aufeinander reagieren könnten – also wenn ein echter Austausch stattfindet.
Ob ich die KI als Kollegin im Sinne von jemandem aus der gleichen Branche sehen würde, ist schwer zu beurteilen. Ich könnte nicht sicher sagen, ob die Kunstwerke wirklich neuartig wären – dafür kenne ich schlichtweg nicht alles auf der Welt. Aber es wäre auf jeden Fall ein Instagram-Kanal, dem ich folgen würde.
Du arbeitest mit Technologie, die selbst nichts erlebt. Wie viel gelebtes Leben braucht wahre Kunst – oder ist Erleben überschätzt?
Wenn man sich Gebrauchsgrafik oder Werbegrafik ansieht, braucht es meiner Meinung nach kein eigenes Erleben. Dabei geht es vor allem darum, konsumierbare Inhalte zu schaffen, die den kleinsten gemeinsamen Nenner treffen und möglichst nicht anecken.
Kunst ist für mich etwas anderes. Kunst ist ein Ventil, um den eigenen Blick auf die Welt mit anderen zu teilen. Dafür braucht es Erleben – weil echte Kunst für mich aus einer individuellen Erfahrung heraus entsteht.
Wenn ein Algorithmus ein Bild malt, das dich zu Tränen rührt – wem gilt die Träne? Dem Werk? Der Maschine? Dir selbst?
Mir selbst, denn die Erfahrung findet in mir statt.
Sie entsteht, weil ich persönlich etwas erlebt habe, das durch das Bild ausgelöst und mit meinen Erinnerungen oder Gefühlen verbunden wird.
Gibt es in der künstlerischen Arbeit mit KI einen Moment, der dir fast „spirituell“ vorkommt – so als würde etwas Drittes zwischen dir und der Technik entstehen?
Beim Arbeiten mit KI habe ich das Gefühl, dass man lernen muss, loszulassen. Man kann wichtige Eckpunkte festlegen, aber was dazwischen entsteht, bleibt oft eine Überraschung – meistens eine positive, weil Elemente entstehen, an die man selbst nicht gedacht hätte. Gerade dieses Unvorhersehbare und der Verzicht auf vollständige Kontrolle gefallen mir besonders.
Gleichzeitig erlebe ich oft, dass Menschen gespannt darauf sind, wie ich die KI kontrolliere. Ich glaube, das hat viel mit Unsicherheit im Umgang mit dem Tool zu tun. Tatsächlich geht es aber meist weniger darum, jeden Schritt zu steuern, sondern darum, dasselbe Bildkonzept wieder und wieder zu generieren – und anschließend gezielt zu kuratieren.
Kannst du dir vorstellen, dass KI Kunstwerke schafft, die wir Menschen nicht mehr verstehen können – und wäre das dann noch unsere Kunst?
Um ehrlich zu sein, verstehe ich schon heute viele Dinge nicht, die als moderne Kunst bezeichnet werden. Insofern würde sich für mich nicht viel ändern.
Meine persönliche Definition von Kunst ist einerseits, dass etwas Neues entsteht, das zum Nachdenken anregt.
Andererseits sehe ich Kunst auch darin, wenn jemand etwas wirklich extrem gut beherrscht – sei es durch Talent oder durch harte Arbeit.
Aber am Ende glaube ich: Kunst muss gar nichts. Jeder sollte für sich selbst entscheiden, was er als Kunst empfindet.
Wäre Klimt heute ein Hacker – oder würde er das Internet sabotieren, um wieder mit dem Pinsel allein zu sein?
Soweit ich weiß, haben Frauen eine zentrale Rolle in Klimts Leben und Werk gespielt.
Er hat sich gerne mit Frauen umgeben und sie standen oft im Mittelpunkt seiner Kunst.
Wenn ich mir anschaue, wie viele Bilddatenbanken und Darstellungen es heute im Internet gibt, insbesondere von Frauen, kann ich mir gut vorstellen, dass er diese Fülle an Material kreativ genutzt hätte.
Du näherst dich mit deiner Kunst der Maschine – aber hast du das Gefühl, sie kommt dir auch entgegen? Oder bleibt sie still, stumm, bloß Werkzeug?
Ich komme durch die Arbeit mit KI dem Erschaffen näher.
Die KI ist für mich ein Werkzeug, mit dem ich sehr leicht ins Tun komme – und das macht mich sehr glücklich.
Obwohl ich gerne viel alleine arbeite, brauche ich eine Reaktion auf meine Gedanken – am besten sofort, per Knopfdruck.
Dieses Gefühl, dass etwas entsteht und in Bewegung kommt, erlebe ich, wenn ich mit KI-Tools arbeite, besonders wenn ich einmal stecken geblieben bin.
Sie helfen mir, Dinge zu Ende zu bringen.
Picasso hat gesagt: „Inspiration existiert, aber sie muss dich bei der Arbeit finden.“
Mit Midjourney finde ich genau diese Inspiration.
Wenn du deine künstlerische Arbeit in Daten ausdrücken müsstest – welche Variable, welches Rauschen, welche Lücke würdest du unbedingt beibehalten wollen?
Ich würde auf keinen Fall mein Wissen über Popkultur, meine persönlichen Erfahrungen und das, was ich süß oder ansprechend finde, aufgeben wollen.
Diese Dinge machen mich aus – und genau sie brauche ich, um den Output überhaupt bewerten und einordnen zu können.
Ist KI für dich ein Spiegel, ein Prisma oder ein Schleier? Und was siehst du darin, was du vorher nicht sehen konntest?
Für mich zeigt KI, wie stark Bilder, Worte und Bedeutungen miteinander verknüpft sind – und wie sehr wir die Welt durch Taxonomien kategorisieren.
Vieles sieht auf den ersten Blick nach Magie aus – und manchmal wird einem diese Magie auch eingeredet, weil sie sich besser verkauft.
Aber wenn man genau hinsieht, merkt man: Es ist Technik, keine Zauberei.
Wenn deine Kunst morgen von einer KI perfekt imitiert werden könnte – würdest du weitermachen? Oder wärst du dann frei?
KI macht mich frei – frei von dem Druck, perfekt arbeiten zu müssen.
Sie übernimmt heute schon vieles sehr gut und ermöglicht es mir, durch hundert verschiedene Welten und Stile zu wandern. Das ist jetzt mein Beruf, dafür werde ich bezahlt.
Aber was ich darüber hinaus erschaffe, mache ich nur noch für mich – nicht für andere und nicht, weil ich dafür bezahlt werde, sondern weil es für mich Bedeutung hat.

„Der Einsatz von generativer KI wird prägend in der
Kulturszene sein“